Immer wieder kommt es zu Verletzungen von Studierenden und Schülern während der Ausbildung. Einen großen Anteil an solchen ausbildungsbezogenen Unfällen in Berlin nehmen noch die Medizinstudierenden ein.
Hier geschehen Unfälle zumeist mit kontaminierten scharfen und spitzen Instrumenten, wie sie für die Blutentnahme oder die Anlage venöser Verweilzugänge verwendet werden. Bei diesen Verletzungen können schwerwiegende Erkrankungen übertragen werden und es ist eine aufwendige ärztliche Nachsorge notwendig. In Zusammenarbeit zwischen einem Team der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Unfallkasse Berlin wurde herausgearbeitet, welche Maßnahmen zur Prävention von Nadelstich- und Schnittverletzungen geeignet sind.
Die Studie zur "Prävention von Nadelstich- und Schnittverletzungen Berliner Medizinstudierender" hat zahlreiche Unfallakten ausgewertet und zwei groß angelegte anonyme Umfragen unter allen Medizinstudierenden durchgeführt (Teilnehmerzahlen: n(2009)=1214; n(2010)=917). In Zusammenarbeit mit Experten des Arbeitsmedizinischen Zentrums der Charité und mit Unterstützung des Trainingszentrums für Ärztliche Fertigkeiten des Dieter Scheffner Fachzentrums wurden ein Schulungskonzept und Informationsmaterialien erstellt (Materialien zum Verhalten nach Nadelstich- und Schnittverletzungen), um Studierende zukünftig besser vor Nadelstich- und Schnittverletzungen zu schützen.
Sichere Instrumente
Durch die Auswertung aller Unfallakten der Jahre 2007 bis 2010 konnte gezeigt werden, dass der Einsatz sicherer Instrumente, das heißt Instrumente, die mit einem Mechanismus zur Sicherung der Nadel oder Klinge nach deren Benutzung ausgestattet sind, mit weniger Nadelstichverletzungen einhergeht. Seit der flächendeckenden Einführung der sicheren Instrumente in vielen Bereichen im Jahr 2008 sind die Unfallzahlen um etwa die Hälfte des Vorwertes gesunken.
Schulungen
Die anonymen Befragungen der Studierenden haben auch nach Einführung der sicheren Instrumente an der Fakultät eine Unfallrate von über 20 Prozent ergeben. Eine Besonderheit der Fakultät im Studienzeitraum stellt das Vorhandensein zweier unterschiedlicher Studiengänge für Medizin dar: Der sogenannte Regel- und der Reformstudiengang konnten miteinander verglichen werden. Studierende des Reformstudiengangs, welche im Rahmen der Ausbildung eine praktische Einweisung in die Blutentnahme am Modell erhalten haben, zeigen grundsätzlich eine geringere Verletzungsrate.
Daher wurde in Anlehnung an den Reformstudiengang eine erweiterte Schulung entwickelt, die den Studierenden sowohl theoretische Kenntnisse vermittelt, als auch praktische Einweisungen in den korrekten Gebrauch der wichtigsten sicheren Instrumentensysteme beinhaltet. Die praktischen Fähigkeiten der Studierenden (n=19) wurde mit Hilfe einer Objective Structured Clinical Examination getestet. Die Ergebnisse im 7-Tages-Intervall (±1 Tag) konnten zeigen, dass sich die Studierenden im Umgang mit den Instrumenten verbessert und die gestellten Aufgaben (Blutentnahme und Anlegen eines venösen Zugangs am Modell) insgesamt sicherer absolviert haben. Die Studierendenevaluationen der getesteten Schulung fielen durchweg sehr positiv aus.
Fazit
Die Durchführung praktischer Schulungen in Kleingruppen ist in diesem Beispiel mit einem hohen Personal- und Materialaufwand verbunden. Der präventive Effekt von Modellübungen im Medizinstudium kann aufgrund der Erfahrungen des Berliner Reformstudiengangs angenommen werden.
Seit 2010 wird an der medizinischen Fakultät der Charité ein einheitlicher Studiengang unterrichtet, welcher verstärkt Kleingruppen- und Modellunterricht einsetzt. Darin sollen die Erkenntnisse aus der vorliegenden Studie umgesetzt werden. Gleichzeitig wurde aufgrund der Untersuchungsergebnisse auch der Präventionsstandard für das gesamte medizinische Personal in der Krankenversorgung an der Charité angehoben. Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen auch tatsächlich zu einer Reduktion der Unfallzahlen führen werden.